Liebe Leserin, lieber Leser,
ich stehe am Mittwochnachmittag in einem Café am Münchner Viktualienmarkt und bestelle einen Espresso. Drei Euro. Ich muss das bereits in der Schlange gezückte Kleingeld aufstocken, sonst wird es zum Bezahlen nicht reichen. Plötzlich wird mir klar, wie teuer er mittlerweile geworden ist.
Das nennt man Inflation. Laut Statistischem Bundesamt lag sie im April bei 2,1 Prozent– im Vergleich zum Vorjahresmonat. Das Konzept der Lohn-Preis-Spirale erschien mir im Alltag doch immer etwas vage. Allmählich wird es mir klar. Am Stehtisch der kleinen Chocolaterie, mit leichterem Geldbeutel als erwartet, schwirrt mir dann der italienische Brauch des „caffè al banco“ durch den Kopf.
Übersetzt bedeutet das so viel wie „der Espresso an der Theke“. In Münchens Maxvorstadt kann ich mit diesem Wissen keinen Blumentopf gewinnen. Der Kaffee kostet immer dasselbe – egal ob ich beim Trinken sitze, stehe oder einen Handstand mache. In Italien hingegen macht das einen erheblichen Unterschied.
Seit langer Zeit herrscht dort nämlich das ungeschriebene Gesetz, der Espresso im Stehen dürfe nicht mehr als einen Euro kosten. Schließlich ist er sogar seit 1911 Bestandteil der Grundnahrungsmittel der Italiener. Es ist völlig selbstverständlich, ihn außer Haus zu trinken, morgens vor der Arbeit oder danach – einen Espresso trinkt man nicht allein. Wenn man dafür nicht mehr als einen Euro zahlen muss, ist das tatsächlich für jeden leistbar. Der Brauch gehört inzwischen mindestens genauso zum italienischen Alltag wie ausladende Handgesten beim Sprechen oder Pasta mit leckeren Saucen.
Auch wenn man München gerne als nördlichste Stadt Italiens bezeichnet, mit diesen Preisen konnten wir noch nie mithalten. Generell war hier eigentlich nie irgendetwas billig, aber Espresso? Meine Mutter, die regelmäßig in einer kleinen Trattoria im Münchner Süden ihren Espresso bestellt, meint, er koste seit eh und je zwei Euro. Ob das wirklich noch so ist, oder die gelassenen Sizilianer sich einfach nie die Mühe gemacht haben, inzwischen mehr von ihr zu verlangen, ist unklar. Seit über zehn Jahren legt sie routiniert ein Zwei-Euro-Stück auf die Theke, sagt „Grazie mille“ und geht.
Ich rief also meinen Bruder in Berlin an. Je nachdem, wo man sei (ich vergesse immer, wie riesig Berlin ist), könne ein Espresso gut und gerne zwischen 1,80 beim Bäcker und 5,90 Euro in der Halle des Hotel Adlon kosten, erklärt er mir. Wieso den Espresso nicht einfach zu Hause trinken?
Weil es dabei um etwas anderes geht, um die oft beschriebene „Dolce Vita“. In „il Bar“ (so nennt man in Italien Cafés) in Mailand, der Geburtsstadt des Espresso, lebt man, was ich damit meine. Hier wurde der kleine Kaffee zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfunden. Auf ausdrücklichen Wunsch der Kunden wurde er nämlich mit Dampf zubereitet, im Gegensatz zu anderen Kaffeebestellungen. Sein Name leitet sich daher auch vom italienischen „esprimere“ für „ausdrücken“ ab.
Kurzweilig, klein, viel Ausdruck. Das passt zu Italien – und den Italienern – in meinem Kopf ganz gut. Hier hat sich eine Kaffeekultur gebildet, die seinesgleichen sucht. Wer sich ihr hingibt, bestellt seinen Kaffee in einer Bar. Der nimmt sich diese fünf Minuten. Die Menschen brauchen Rituale, egal wie klein sie sind.
Leider kann auch in Italien die Ein-Euro-Klausel nur noch schwer eingehalten werden. Lohn- und Preissteigerungen machen vor der italienischen Grenze keinen Halt. Schade eigentlich. Ausdruck wird teuer.
Wie stehst du zum „caffè al banco“? Gehst du gerne aus zum Espressotrinken oder legst du darauf keinen Wert? Schreib uns gerne einen Kommentar und nimm an unserer Umfrage teil.
Genießt die kleinen Italiener im Leben. Schönes Wochenende euch.
Alexa Gräf
Redakteurin Courage
Eine Antwort
Ich liebe das Ritual des Espresso Trinkens! Und am liebsten aus einer Porzellan Tasse. Bei den jetzigen Preisen allerdings auch öfter zu Hause. Schade. Aber 2,50 Euro und mehr finde ich einfach nicht mehr angemessen